Emilia und wir – eine Theatererfahrung
„Emilia Galotti” ist ein Drama von Gotthold Ephraim Lessing, das vermutlich viele von euch bereits kennen und als Schullektüre lesen mussten.
Falls ihr vergessen haben solltet, worum es darin eigentlich geht, hier nochmal eine kurze Zusammenfassung: Das Stück spiegelt die Geschichte einer jungen Frau namens Emilia Galotti wider, die von einem mächtigen Prinzen begehrt wird. Der Prinz plant, Emilia für sich zu gewinnen, indem er Intrigen spinnt und ihre bevorstehende Verlobung mit dem Grafen Appiani gefährdet. Durch das Stück werden die Konflikte zwischen Macht und Moral beleuchtet, während Emilia und ihre Familie versuchen, den Machenschaften des Prinzen zu widerstehen. Es endet in einer tragischen Konfrontation zwischen Tugend und Korruption.
Lief alles so wie erwartet…?
Da dieses Drama nun als Theaterstück angeboten wurde, wollten wir uns natürlich einen Vergleich schaffen und das Stück endlich in bildlicher Darstellung sehen. Aufgefallen ist uns, dass das Stück unserer Meinung nach nicht allzu sehr von der Handlung des Buches abgewichen ist. Man könnte aber behaupten, dass die Charakterzüge von Emilia etwas verändert wurden. Im Buch ist sie eher eine Person mit relativ wenig Handlungsfähigkeit, eine die generell nicht viel selbst entscheiden kann beziehungsweise will.
Der fiese Marinelli, dargestellt von Martin Liema, und Leonard Pfeiffer als eher jugendlich ausgespielter Prinz Hettore
Pippa Fee Rupperti als Emilia Galotti in ihrem Hochzeitskleid zusammen mit dem verführerischen Prinzen Hettore
Davon merkt man im Theaterstück allerdings nicht sonderlich viel, als sie sich dazu entschloss, sich nach ihrer Flucht oder vielleicht besser Entführung in das Lustschloss plötzlich auf den Prinzen einzulassen und sogar den Eindruck machte, ihn ebenfalls zu begehren. Zu erwähnen ist auch, dass die Rolle des Marinellis hier besonders gut umgesetzt wurde und sein skrupelloser und hinterlistiger Charakter viel deutlicher zum Ausdruck kam, als man das durch das Buch vielleicht erwartet hätte. Die Darstellung der Orsina empfand ich außerdem ebenso als besonders gut gelungen, da sie sehr überzeugend eine intelligente und entschlossene Frau verkörperte.
Hauptsächlich zu Beginn und im Laufe der Aufführung gab es ein paar Gesangseinlagen sowie kuriose Gesten, mit denen man kaum gerechnet hatte (Den Grund dafür könnt ihr übrigens in dem verlinkten Interview erfahren). Man kann aber insgesamt sagen: Wer das Drama wirklich gelesen hat, der konnte den Bezug zur Lektüre sehr leicht herstellen und die Handlungen gut nachvollziehen. Und wer nicht – naja, der hat es dann ziemlich authentisch kennengelernt.
Mein Eindruck
Ich persönlich finde, dass das Stück gut gelungen ist. Die Schauspieler haben sehr professionell und leidenschaftlich gespielt und auch die eingesprungene Schauspielerin der Rolle Claudia hat, obwohl es so kurzfristig war, ihre Rolle wunderbar gespielt, sodass man sich schnell und leicht auf das Stück einlassen konnte. Die Abweichungen zum Buch haben das Stück meiner Meinung nach zudem auch eher mehr aufgepeppt, als dass sie negative Auswirkungen hatten. Ich muss allerdings auch sagen, dass das Theaterstück in meinen Augen eher für Leute geeignet ist, die das Theater an sich mögen und auch kein Problem mit der anachronistischen Sprache haben.
Anmerkung zum neuen Stadttheater
Ich finde, die Sanierung des Theater-Kopfbaus ist sehr modern und edel geworden und besonders die künstlerische Treppe ist einem im Gedächtnis geblieben. Der Raum an sich wurde relativ einfach, aber dennoch modern gehalten und war auch nicht ganz so groß, aber es heißt ja auch das „kleine Haus“ und ist dementsprechend kleiner. Außerdem gibt es einen Balkon, von dem man eine schöne Aussicht auf Würzburg hat und die Möglichkeit, sich abzukühlen.
“Gewalt! Gewalt! wer kann der Gewalt nicht trotzen? Was Gewalt heißt, ist nichts: Verführung ist die wahre Gewalt.”
Ich fand die Inszenierung in Würzburg gelungen. Gerade weil die Produktion auf alle historischen Kostüme verzichtet hat und auch das Bühnenbild äußerst reduziert war, konnte man sich ohne Ablenkung mit dem Geschehen beschäftigen und dabei die Frage stellen: Wie brauchbar ist denn das alles heute noch? Die Antwort fällt nicht leicht. Die heutigen Bezugspersonen sind nicht mehr die Bürgerlichen um Emilia, sondern die adelige Hofgesellschaft. Während uns der starre Ehrenkodex ersterer (genau wie das Pathos der betrogenen Orsina) immer fremder wird, finden sich die meisten Menschen des Tinderzeitalters im Hedonismus des Prinzen wieder. Dieser wird hier eher als junger Mann als als Fürst gespielt und Mitleid hat er eigentlich nur für sich selbst …
Hansjörg Rüthel
Zu Beginn lässt der Prinz die Figuren des Stücks wie Puppen tanzen.
Ich war auch im Theater Stück, hat mir sehr gut gefallen. […] Super Leistung von den Schauspielern.
Toller Artikel; ich habe die Inszenierung vom Mainfrankentheater auch sehr genossen!