vom P-Seminar “Tod und Sterben”
Es ist kalt. Es ist grau. Die 14 Teilnehmenden des P-Seminars von Frau Weikert, das unter dem Titel „Der letzte Koffer“ gestartet hat, nun aber nicht mehr so heißt, sind mit dem Zug unterwegs nach Münnerstadt. Dort befindet sich die Theo-Remmertz-Akademie, eine von drei „Bundesausbildungszentren“ für den Ausbildungsberuf „Bestattungsfachkraft“. Als Begleitlehrkräfte sind – klar, logisch – Frau Weikert, und als Unterstützung Herr Kerber dabei.
Unterwegs muss die Gruppe in Schweinfurt umsteigen, wo sie sich nicht wirklich willkommen fühlt. Im Kiliansbäck: „Wenn ihr euch hier aufwärmen wollt, dann müsst ihr auch was kaufen … Nein, wenn ihr etwas zum Mitnehmen gekauft habt, dann dürft ihr euch nicht hinsetzen.“ Im Buchladen: „Ihr dürft euch hier von mir aus aufwärmen, aber bitte tatscht nicht alles an.“ ☹
Angekommen
Ganz anders am Ziel, dem Ausbildungszentrum. Frau Heinze, eine Dame aus der Verwaltung, begrüßt uns sehr herzlich und stellt uns die Schule ein bisschen vor. Sie selbst betreut das Bundesausbildungszentrum, ist Ansprechpartnerin für die Anliegen der Auszubildenden und trägt die Verantwortung für Organisation und Durchführung der Prüfungen.
Ein kleiner Teil des städtischen Friedhofs ist essenziell in ihrer Ausbildung, für den sowohl die Schreibweise „Leerfriedhof“ als auch „Lehrfriedhof“ korrekt sind – „leer“, weil in den dortigen Gräbern niemand liegt; „Lehr-“, weil an diesen Gräbern die Auszubildenden die Thematik „Grabtechnik“ lernen und üben können, also z.B. das Buddeln mit Schaufel und Bagger oder das Schmücken mit Blumen und anderer Deko.
Diesen Lehrfriedhof gibt es schon seit 1994. Als 2003 der Ausbildungsberuf „Bestattungsfachkraft“ geschaffen wurde, entstand in der Branche der Wunsch nach einer bundesweit einheitlichen Ausbildung. Letztlich waren Lehrfriedhof und Ausbildung die Gründe, warum die Schule in Münnerstadt geschaffen und 2005 eingeweiht wurde.
Begegnung
Vor einem Rundgang durchs Gebäude fand ein Treffen mit Auszubildenden statt, die gerade im Seminar „Trauerpsychologie“ saßen. Sie befinden sich alle in der Ausbildung zur Bestattungsfachkraft, die im Normalfall drei Jahre dauert, aber unter bestimmten Bedingungen verkürzt werden kann. Sie ist sehr abwechslungsreich, weil sie so viele Bereiche umfasst, u.a. Sargbau / Schreinerei, Floristik, Recht (welche Bestimmungen gelten in welchem Bundesland; Friedhofsatzungen; …), Hygiene (siehe unten) und eben Beratungsgespräche mit den Angehörigen.
Die Dozentin war eine Bestatterin aus Hamburg. Die Bestatterakademie hat keine eigenen Lehrkräfte, sondern es stellen sich Profis aus der Praxis zur Verfügung, die Fortbildungen zu bestimmten Themen geben. Die Auszubildenden kommen ebenfalls aus ganz Deutschland und werden in den 2-3 Wochen, während denen sie in Münnerstadt sind, in einem eigenen Gästehaus bzw. in Hotels vor Ort untergebracht.



Unsere Fragen
Josef stellt die erste Frage: „Wie seid ihr eigentlich auf die Idee gekommen, Bestatter werden zu wollen?“ Darauf erzählt ein Auszubildender von seinem Werdegang: er habe BWL studiert und anschließend verschiedene Praktika gemacht, aber immer gemerkt, dass das nichts für ihn sei. Nach einem Praktikum bei einem Bestatter war das anders: das hat ihn irgendwie gepackt. Er legte aber auch Wert auf die Feststellung: „Der Job ist richtig für MICH – aber nicht für Jeden.“ Hier stimmten viele der anderen zu. Herr Kerber meinte noch, es sei einer der krisensichersten Berufe, die es gibt.
Eine andere Frage von Emil lautete: „Gibt’s in der Ausbildung Bereiche, die euch mehr Spaß machen als andere?“ – „Das ist so verschieden wie wir alle verschieden sind.“
Die nächste Frage von Valerie drehte sich um den Umgang mit trauernden Personen und passte sehr gut in die Runde. Auch hier war die Antwort sehr offen: „Das hängt sehr stark von der jeweiligen Situation bzw. vom konkreten Fall ab; z.B.: wer ist hier verstorben? Ein Kind, ein alter Ehepartner, …?“ Eine andere Antwort war: „Wenn du 100 Sterbefälle hast, hast du 100 verschiedene Situationen und Anforderungen.“

Julia wollte wissen: „Was macht ihr selbst mit Emotionen zum Tod?“ – „Ich persönlich trenne Arbeit und Privatleben sehr strikt. Was im Betrieb passiert, bleibt im Betrieb.“ Andere meinten, dass das bei ihnen nicht so sei und sie manchmal schon emotional betroffen wären, auch wenn das Leid und die Trauer der Kundschaft nicht zu ihrem eigenen werden dürfe. Die Dozentin brachte es auf den Punkt: „Wir leiden nicht mit, aber wir fühlen mit. Wie wir in den 4-6 Wochen, in denen wir eine trauernde Familie begleiten, mit dieser umgehen, hat Auswirkungen darauf, wie diese Familie danach zurück ins Leben findet.“ Eine Auszubildende sagte noch, dass sie am Ende des Tages einfach Dienstleister seien. Sie selbst schätzte seit dem Beginn ihrer Ausbildung manches in ihrem Leben anders, höher als es vorher war.
Die letzte Frage Emils ging um das private Umfeld: „Wie haben eure Eltern reagiert, als ihr gesagt habt, ihr wollt Bestatter werden?“ – „Meine Mama ist Floristin, die hatte schon öfters Blumenschmuck für Bestattungen angefertigt und fand das gut. Meine Großeltern waren erst skeptisch, aber inzwischen finden sie’s auch toll und haben eine Vorsorgevereinbarung abgeschlossen.“


Das Haus und die Ausbildung
Nun begann die Führung. Im Schulhaus gibt es mehrere Seminarräume und Werkstätten. Es gibt beispielsweise einen Raum, in dem viele verschiedene Urnen und Sargmodelle stehen. Dort lernen die Auszubildenden die Materialien kennen, aus denen Urnen hergestellt werden und für welche Zwecke sie verwendet werden können. In einem anderen Raum kann geübt werden, wie ein Sarg „ausgeschlagen“ wird, d.h. wie das weiße Tuch „festgetackert“ werden muss.
In einer Werkstatt üben die Auszubildenden das Auf- und Zulöten von Zinksärgen, die aus hygienischen Gründen verwendet werden, wenn Verstorbene über lange Strecken transportiert werden, geübt wird an Dachrinnen.
Ein anderer Raum ist wie eine Friedhofskapelle eingerichtet. Hier bekommen die Auszubildenden, z.B. einen Arbeitsauftrag, wer verstorben ist, wie der Mensch gelebt hat, welche Interessen er hatte … und ausgehend von diesen Informationen sollen sie den Blumenschmuck für die Aufbahrung bzw. Abschiedsfeier gestalten. Volle Kompetenzorientierung sozusagen …
Vielleicht der spannendste Raum war der, in dem an echten Verstorbenen die „Hygienische Versorgung“ geübt werden kann. D.h., dass geübt wird, wie eine Leiche gewaschen wird oder wie man bei einem Unfallopfer Wunden so vernäht bzw. den Verstorbenen „schminkt“, so dass sich die Angehörigen am offenen Sarg von der Person verabschieden können und sie so in Erinnerung behalten, wie sie waren.
Gegen Ende ging es nochmal um die Kosten, als die Frage im Raum stand, wer denn für eine Bestattung bezahlt, wenn Angehörige sie sich nicht leisten können bzw. keine Angehörigen da sind. Frau Heinze meinte, dass in solchen Fällen eine sog. „Sozialbestattung“ stattfinde, die vom Sozialamt bezahlt wird und je nach Landkreis „knapp oder sehr knapp“ ausfällt.


Fazit
Es war eine sehr interessante und lehrreiche Exkursion. Vielleicht wurde bei manchen ein Interesse geweckt, sich um Verstorbene und ihre Angehörigen zu kümmern.
Find ich gut das ihr auch solche Themen behandelt.