Jehuda Amichai – vor 100 Jahren in Würzburg
von Henrik Götz und Oskar Bock
Mit Jehuda Amichai wurde heute vor 100 Jahren der wohl bedeutendste Dichter Israels in unserem schönen Würzburg in der Augustiner Straße als Ludwig Pfeuffer geboren. Ausgewandert in der Zeit des Nationalsozialismus, trug er später in seinem Leben dazu bei, Hebräisch als Sprache der Literatur zu etablieren.
Im folgenden Gedicht “kleine Ruth” schrieb er einer Kindheitsfreundin, Ruth Hanover, die im Alter von 19 Jahren über das Sammellager Westerbork nach Sobibor im besetzten Ostpolen deportiert und dort ermordet wurde. Dieses Gedicht ist auch am Koffer-Denkmal am Hauptbahnhof in Würzburg zu finden.
Manchmal überfällt mich die Erinnerung an dich, kleine Ruth.
Wir trennten uns in der fernen Kindheit, sie verbrannten dich in einem der Lager.
[…]
Manchmal erinnere ich mich an dich in unerwarteten Augenblicken
und an Plätzen, die nicht fürs Gedenken geplant sind, sondern fürs flüchtige Verweilen,
wie Flughäfen, wo die Gelandeten müde an den Gepäckterminals stehen
und, sobald sie ihren Koffer erspähen, freudig jubilieren
wie bei der Auferstehung der Toten, und dann hinausgehen in ihr Leben.Doch ein Koffer kommt immer wieder zurück, verschwindet, kommt wieder,
Aus: Auch die Faust war einmal eine offene Hand und Finger
zieht langsam, ganz langsam vorbei in der menschenleeren Halle.
So zieht deine stumme Gestalt an mir vorbei, so erinnere ich mich an dich,
bis das Gepäckband stillsteht. Und sie bewegten sich nicht. Selah.
sehr berührend!
Ich hätte den jungen Mann gerne wieder oberkörperfrei gesehen !!!