von Christian Pfertner, 11a
Am Anfang des Schuljahres stellt Herr Kerber uns den Wahlkurs Lebensphilosophie vor. Erstmal sind wir ein bisschen verdutzt. Denn warum sollten ausgerechnet wir uns mit Sterben und Tod beschäftigen? Trotzdem, in der Fülle unseres Lebens nutzten wir Nachmittage und Wochenenden, um Friedhöfe zu besuchen.
Warum sollten sich Jugendliche in unserem Alter sich mit Sterben und Tod beschäftigen?
Da gibt es natürlich viele Gründe. Erstens: Sterben und Tod passieren um uns herum ständig, ob wir es wahrnehmen oder nicht. Es wird Herbst – und die Natur verändert sich. Blätter verfärben sich und fallen ab. Wenn man will, kann man das „Sterben“ nennen. Menschen verlieben sich ineinander – und eines Tages endet diese Liebe. Auch das kann man „Sterben“ nennen oder – und manche empfinden das so – als „Tod“.
Das Sterben und der Tod von Haustieren ist eines, das vielleicht manche auch schon erlebt haben. Ich finde in den Zusammenhang wichtig, dass der Verlust des Tieres das Eine ist; das Andere ist die Trauer über den Verlust.
Und die aufmerksamen Lesenden haben schon gemerkt, dass hier eine Steigerung stattfindet, denn das Sterben und der Tod eines geliebten Menschen ist natürlich noch einmal etwas ganz Anderes als der Herbst oder das Ende einer Liebe oder der Verlust eines Haustiers.
Komischerweise werden Herbst, Liebeskummer oder Haustiertod aber im Leben von jungen Menschen zugelassen und akzeptiert, und zugleich gibt es Leute, die finden, dass dieselben jungen Menschen sich nicht mit Sterben und Tod von ihresgleichen (nur halt meistens älter oder kränker als sie selbst) beschäftigen sollen. Das finde ich doof, weil ich denke, dass Dinge, mit denen ich mich beschäftige, ein bisschen ihren Schrecken verlieren, bevor sie dann wirklich eintreten. Leute planen ja auch für ihre Rente oder einen Umzug – warum sollen sich dann junge Menschen nicht mit etwas beschäftigen, was sie GANZ SICHER irgendwann betrifft … entweder indirekt (wenn Oma, Opa, … alt, gebrechlich, sterblich und tot werden) oder direkt, wenn sie sich selbst ihrer Endlichkeit bewusst werden. Darum sollen sich Jugendliche damit beschäftigen.
Warum denn nicht?
Nachdem mich schon letztes Jahr Herr Kerbers Vorschlag Taizé positiv geprägt hatte und es in meinen Augen doch (mit Skifahren) zu den besten Fahrten gehört, dachte ich mir in in diesem Jahr: Warum denn nicht?
Doch woher kommt eigentlich Ihre Faszination für das Thema?
Das fing schon ganz früh an. Im letzten Jahrtausend war ich Ministrant und habe sehr gerne auf Beerdigungen ministriert. OK, meistens gab es dafür auch 2 Mark, aber viel spannender fand ich es schon damals, die Trauergemeinde zu beobachten. Welche Emotionen sind zu sehen, welche nicht? Wie groß ist die Trauergemeinde? War einfach interessant.
Später war das Thema ziemlich weg von mir. Dann ist kurz, bevor ich mit den Prüfungen für das Staatsexamen angefangen habe, mein Vater verstorben. Und ich stand vor der Frage, ob mich das jetzt emotional so sehr mitnimmt, dass ich mich von den Prüfungen abmelde. Hab‘ ich dann nicht gemacht. Gleichzeitig habe ich damals gemerkt, wie unterschiedlich sehr ähnlich geprägte Menschen mit Tod umgehen. Ich wollte unseren toten Vater noch einmal sehen und habe deshalb in der Leichenhalle den Sarg geöffnet … gegen den starken Widerstand meines Bruders, der das auf keinen Fall wollte.
Mir ist dann irgendwann bewusst geworden, dass Sterben und Tod Themen sind, die irgendwie zu meinem Lebensthema geworden sind, weil ich damit einen Umgang habe, der viele Leute überrascht bzw. vielleicht schockiert. So fanden z.B. bei uns im Kollegium einige die W-Seminare „Sterben und Tod in den Kulturen der Welt“ oder die P-Seminare „Sarg und Urnenbau für jedermann und jedefrau“ bzw. „Ein Themenabend: Jugend und Tod“ ziemlich unmöglich. Das hat mich natürlich angespornt 😊.
Seltsam ...
Ich wurde mir auch eines Tages meiner eigenen Endlichkeit bewusst. Vorher wurde ich nicht älter, sondern einfach nur reifer und besser. Aber inzwischen vermute ich, dass auch ich sterblich bin. Und damit möchte ich mich einfach beschäftigen, bevor es passiert. Ich lege ja auch einen Sicherheitsgurt an, bevor ich einen Autounfall baue.
Unsere Erlebnisse
Aber nun zum eigentlichen Wahlkurs. Was haben wir überhaupt gemacht? Der Wahlkurs begann mit einem erstmaligen Treffen in der Schule bei dem wir über unsere eigenen Erfahrungen mit Sterben und Tod ausgetauscht haben. Noch im selben Treffen sind wir auf den Würzburger Waldfriedhof um uns mit den verschiedenen Bestattungsformen auseinander zu setzen. Von „normaler“ Erdbestattung über anonyme Gräberfelder bis hin zum Gedenkstein der Uni Würzburg für Anatomiespender. In nächsten Treffen sind wir dann zu den Wandlungsräumen (gleich noch mehr dazu). Auch hat der Kurs in einem Treffen ein Krematorium besucht. Doch egal welcher Ausflug, meist war immer ein bisschen Zeit danach um in geselliger Runde im Café über die unsere Eindrücke sich auszutauschen. Abgeschlossen haben wir den Kurs mit einem Treffen mit Herrn Marx, in dem wir uns mit den Bedürfnissen Sterbender beschäftigt haben. Wie erleichtert man es den Sterbenden und wie funktioniert Trauerbewältigung. Wie kann die Atmosphäre eines Hospizes dazu beitragen? Eine sehr gelungene Erfahrung sich auch mal außerhalb der Trauer in einem angenehmen Umfeld sich mit Sterben und Tod zu beschäftigen, damit wenn es dann doch dazu kommt, man vorbereitet ist und damit umgehen kann.
Welcher der Ausflüge hat Ihnen am besten gefallen und warum?
Wir haben im Rahmen des Wahlkurses „Nichts, was man fürchten müsste: Sterben und Tod“ mehrere Ausflüge unternommen. Mir persönlich hat die Exkursion zu den Wandelräumen sehr gut gefallen (ich drücke mich bewusst um „am besten“, weil ich alle Ausflüge sehr gelungen fand). Die verschiedenen Räume mit den damit verbundenen Emotionen und Gedanken, wie sie die Kursteilnehmenden formuliert haben, haben mich sehr beeindruckt … und die Tatsache, dass ich eine alte Freundin, nämlich die Bäckereischwester, mal wieder getroffen hat, spielt wohl auch mit hinein.
Werden Sie einen ähnlichen Wahlkurs nächstes Jahr wieder anbieten?
Also … ich habe unserer Schulleitung einen Vorschlag gemacht und ja, ich würde einen ähnlichen Kurs sehr gerne anbieten. 😉
Sobald Du nur einen Deiner Schülies für dieses Thema sensibilisierst, hast Du ein Herz gewonnen, denn dieses Thema ist nicht für den Verstand 😉😘
Danke 🥰.
Danke, Michael Kerber, für diese tolle Herangehensweise und die wirklich beeindruckende Art, bei den Schülerinnen und Schülern mit dem Thema zu landen und sie immer wieder erneut abzuholen und zu sensibilisieren. Nicht selbstverständlich, aber gleichzeitig so wichtig!
Danke dir 😊. Wenn du dich zu erkennen gibst, gebe ich dir einen Kaffee im Lehrerzimmer aus ☕️